Für Kinder ist Neugier essenziell. So lernen und begreifen sie, werden kreativ und entwickeln sich. Gilt das auch für Erwachsene am Arbeitsplatz? Ja, meint die aktuelle Forschung: Neugier ist ein wichtiges Gut, das gepflegt werden will.  

Wenn wir an die Arbeit in Klinik und Praxis denken, stehen an erster Stelle Qualität und Sicherheit. Ein wichtiger Garant für stabile Prozesse sind Standard Operating Procedures (SOP) – wie sie in vielen Arbeitsbereichen definiert sind. Allen gemeinsam ist: Hinter SOP stecken Erfahrungswerte, die oft in mühseliger, kleinteiliger Arbeit und auf der Basis von «trial and error» niedergeschrieben wurden und als Arbeitsanweisung für das zukünftige Personal gelten.  

Doch wiegen wir uns damit in einer trügerischen Sicherheit? Wenn alle Mitarbeitenden aus Vorsicht nicht mehr Ausprobieren und Hinterfragen, dann kann das Innovationen entgegenstehen. Vorsicht ist also gut, aber nicht alles. Um es mit einem Bild zu beschreiben: Vorsicht ist wie eine Bremse. Wer drauf steht, kommt sicher den Berg hinunter, aber es dauert. Hinter Innovationen steckt eher das Gaspedal, die Neugier: schnell den Berg hinunter, auch wenn dies ein gewisses Risiko birgt.  

Anders gesagt: Vorsicht ist die Hoffnung, vorher schlauer gewesen zu sein als nachher. Neugier ist hingegen der Wunsch, nachher schlauer zu sein als vorher.1 Und wäre das nicht das Ziel? Die Neugier und ihre Bedeutung im Arbeitsprozess werden erst seit verhältnismässig kurzer Zeit wissenschaftlich untersucht. Wir überblicken aktuell gerade einmal rund 20 Jahre Forschung. Was hat sich bislang ergeben?  

Neugier bildet Teams

Ist unsere Neugier erst einmal geweckt, sind wir aufmerksam und interessiert. Wir denken wesentlich gründlicher und rationaler nach. Erst dann treffen wir eine Entscheidung. Das ist zunächst ein langsamer Prozess: Kommt etwas Neues auf uns zu, werden – anders als bei bekannten Herausforderungen – Neuronen im Gehirn gehemmt.1 Das langsame Tempo leitet Lernprozesse ein. Es wird betrachtet und erforscht. Das macht Sinn, denn schliesslich könnte von dem Neuen eine Gefahr ausgehen. Am Ende steht jedoch eine Erkenntnis, die im besten Fall eine neue, kreative Lösung hervorbringt.1  

Die US-amerikanische Verhaltensforscherin und Professorin für Business Administration an der Harvard Business School Francesca Gino, forscht zum Zusammenhang von Neugier und Kreativität. Sie berichtet von einer Studie, in der bei Künstlern die Zunahme der Neugier um einen Punkt auf einer Skala von eins bis sieben zu einem 34%igen Anwachsen der Kreativität führte.2 Eine andere Studie zeigte, dass bei neuen Mitarbeitern im Team die neugierigsten in kurzer Zeit die meisten Informationen von ihren erfahrenen Kollegen erfragten und in ihrer Arbeit anwendeten. Ausserdem, so Gino, wird neugierigen Team-Leadern mehr Respekt entgegengebracht und die Teamplayer bauen ein vertrauensvolleres und kollegialeres Verhältnis zueinander auf.  
 

 

Neugier vermindert Fehlentscheidungen

Neugierige Mitarbeitende sind häufiger auf der Suche nach Hinweisen, die belegen, dass sie sich getäuscht haben. Weniger Neugierige suchen eher nach Hinweisen und Bestätigung, dass sie recht hatten. Neugier führt also dazu, sich zu hinterfragen. Auf dieser Basis versteht es sich von selbst, dass Neugierige weniger in Stereotypen denken. Sie gehen auf neue Mitarbeiter, Minderheiten und Seltenes anders zu. Oft haben sie weniger Vorurteile und ein grosses Interesse an Meinungen und Erfahrungen anderer. Eine aus Neugier gefällte Entscheidung ist nicht frei von Fehlern. Sie basiert aber auf fundierten Abwägungen und ist gut begründet und damit weniger anfällig für Fehler. 
 

Neugier will gepflegt werden

Nun gibt es Menschen, die von Natur aus neugieriger sind als andere. Das ist aber kein Zustand, bei dem es bleiben muss. Neugierige können durch ihr Umfeld an Wissensdurst verlieren. Weniger Neugierige können angeregt werden, Fragen zu stellen und wissbegierig zu werden. Die Neugier der Mitarbeitenden zu steuern bedeutet, sich als Unterstützer zu sehen, nicht als Macher. Sich selbst in einer Führungsposition zurückzunehmen und die anderen machen zu lassen, das ist nicht einfach, aber erfolgreich. Gino versteht die Führungsrolle wie die eines Jazz-Musikers: Wenn einer sein Solo beginnt, wird im Hintergrund gespielt, um den anderen glänzen zu lassen. Wenn kein anderer spielt, wird die Lücke durch eigenes Zutun gefüllt. Das erfordert Selbstvertrauen und Flexibilität, so die Expertin.

Neugier lohnt sich

Neugierige Menschen haben grössere Netzwerke, knüpfen schneller Beziehungen und verbessern die Kommunikation im Team. Sie sind kreativer und arbeiten besser unter Stress. Das sind nützliche Effekte, nicht nur aber insbesondere für Kliniken sowie Arztpraxen und die bestmögliche medizinische Versorgung von Patienten. Bleibt zu hoffen, dass die Forschung dazu noch mehr Fahrt aufnimmt. In diesem Sinne: Bleiben Sie neugierig! 

 

Download

So fördern Sie die Neugier im Team:

Checkliste

Buchtipps

Deutsch

Dr. Naughton, Carl

Neugier: so schaffen Sie Lust auf Neues und Veränderung. 

ECON Verlag, 2016 

Deutsch

Kutzler, Bernhard

Neugier: Der geistige Hunger des Menschen. 

Verlag Bernhard Kutzler, 2019 

Englisch

Prof. Dr. Gino, Francesca

Rebel Talent: Why it Pays to Break the Rules in Work and Life. 

Pan Books, 2019 
 

Englisch

Edmondson, Amy C.

The fearless organization: Creating Psychological Safety in the Workplace for Learning, Innovation, and Growth. 

Wiley, 2018 
 

Französisch

Dr. de Bono, Edward

La boite à outils de la créativité: Par l’inventeur de la pensée latérale. 

Eyrolles, 2013 

Französisch

Anselem, Bernard und Joseph-Dailly, Emmanuelle

Les talents caches de votre cerveau au travail. 

Eyrolles, 2019 
 

Quellen

  1. Naughton C. Neugier – So schaffen Sie Lust auf neues und Veränderung. Ullstein Buchverlage GmbH Berlin, 2016.

  2. Gino F. Neugier – Wieso, weshalb, warum?

Kontakt
Social

Haben Sie Fragen? Wir beraten Sie gerne!

Disclaimer

Unser Downloadcenter beinhaltet sämtliche Dokumente und Informationen, die auf der Website zur Verfügung gestellt werden. Die darin verwendeten Abbildungen (Stimmungsbilder) sollen keinen Zusammenhang zwischen der Verwendung des beschriebenen Medizinproduktes und seiner Leistung herstellen. Eine Suche mit Filter hilft, das Gewünschte schnell und akkurat zu finden.

Bitte beachten Sie, dass für Downloads die Nutzungsbedingungen akzeptiert werden müssen.