21.03.2024

Interview Armand Linge

«Komplexe EU-Gesetzeslage für Medizinprodukte: alle Mathys-Produkte gesetzeskonform»

Bis 25. Mai 2021 unterlagen Medizinprodukte der Medizinprodukte-Richtlinie (engl. Medical Device Directive, MDD). Seit 26. Mai 2021 werden an Medizinprodukte per EU-Verordnung (engl. Medical Device Regulation, MDR) jedoch wesentlich höhere Anforderungen gestellt. Nur wenige Hersteller können diese Anforderungen bis zum 26. Mai 2024 – dem Ende der Übergangsfrist – erfüllen. Nach einem weiteren, neuen Gesetz können jetzt allerdings abgelaufene MDD-Zertifikate mit einem sogenannten „Confirmation Letter“ von regulatorischer Seite verlängert werden. Armand Linge, Head Regulatory Affairs bei Mathys, weiss, worauf Kliniken achten müssen.

Armand Linge

Armand Linge hat einen Bachelor-Abschluss in Kernphysik sowie einen Ingenieur-Hochschulabschluss mit einem multidisziplinären Profil. Bei Mathys ist er seit vier Jahren als Head of Regulatory Affairs beschäftigt. Mit den gesetzlichen Vorgaben sowie regulatorischen Aufgaben ist der 54-Jährige bestens vertraut. Sein Einstieg in die MedTech-Branche erfolgte nach dem Studium durch einen Zufall.

Nun blickt der gebürtige Franzose bereits auf eine 26-jährige Erfahrung in der Orthopädie zurück. Seit mehr als 25 Jahren ist Armand Linge bereits mit regulatorischen Aufgaben befasst und spricht vier Sprachen fliessend.

Interview

Herr Linge, vor einem Jahr waren rund 30 % der Mathys-Produkte bereits mit der neuen Medical Device Regulation (MDR) konform. Wie ist der aktuelle Stand und was passiert mit Produkten, die ab dem 26. Mai 2024 noch keine MDR-Konformität erreicht haben? 

Derzeit sind bereits mehr als 70% unserer Produkte MDR-konform. Wir haben also im vergangenen Jahr einen grossen Schritt nach vorne gemacht und sind sehr zufrieden mit diesem Ergebnis. Ursprünglich war von der Europäischen Kommission geplant, dass alle Produkte, die bis zum 26. Mai 2024 kein aktuelles MDR-Zertifikat erhalten haben, zumindest vorübergehend nicht mehr marktfähig sind. Damit wäre in der Realität ein grosser Teil an Medizinprodukten vom Markt verschwunden. Die Europäische Kommission hat dieses Problem rechtzeitig erkannt und im März 2023 ein sehr komplexes Gesetz veröffentlicht, das eine Verlängerung der Übergangsfrist für MDD-Produkte ermöglicht.
 

Dann können alle Medizinprodukte über den Stichtag hinaus weiterhin verwendet werden?

Nein, ganz so ist es nicht. Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Rein rechtlich sind die MDD-Zertifikate für Produkte, die bis zu diesem Datum nicht MDR-konform sind, abgelaufen. Das verhält sich in etwa so, wie bei einem Ausweis: Er hat eine eingetragene Gültigkeit und ist danach ungültig. Rechtlich gibt es bislang also nur die beiden Zustände „gültig“ und „ungültig“. Nun hat die Europäische Kommission aber mit dem Gesetz vom März 2023 einen dritten Weg geschaffen: Medizinprodukte, deren MDD-Zertifikat abgelaufen ist und die damit den Status „ungültig“ haben, können unter bestimmten Umständen dennoch weiter auf den Markt gebracht werden. Dies ist genau dann der Fall, wenn sie von den benannten Stellen einen Confirmation Letter bekommen haben. Für diese Medizinprodukte gelten dann unterschiedliche Verlängerungsfristen für deren Verwendung. Wir haben bereits für alle unsere Produkte einen Confirmation Letter vorliegen.
 

«Bislang kannte das Recht „gültig“ oder „ungültig“. Nun haben wir etwas dazwischen.»
 

Wie viel Aufschub wird den noch nicht MDR-zertifizierten Medizinprodukten gewährt?

Das hängt von der Risikoklasse des Medizinproduktes ab. Klasse III und Klasse IIb Implantate dürfen bis zum 31. Dezember 2027 eingesetzt werden, wenn sie einen Confirmation Letter haben. Die Klasse IIa Medizinprodukte und solche der Klasse I haben mit Confirmation Letter eine Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2028. Die Schwierigkeit ist nun, dass die Anwender in den Kliniken und Praxen oft noch Produkte mit einer MDD-Konformität vorrätig haben. Sie können nicht wissen, welches Medizinprodukt nun einen Confirmation Letter hat oder bereits MDR-konform ist.


Wie soll dies kommuniziert werden?

Die Hersteller sind in der Pflicht, den Kunden, Distributoren und Behörden, besonders den Zollbehörden, den Confirmation Letter vorzulegen. Das Schreiben ist formal von der Europäischen Kommission vorgegeben worden und sieht sehr komplex aus. Das können wir leider nicht beeinflussen und wir halten uns an diese Vorgaben. Was ganz sicher ist: Alle Mathys-Implantate und -Instrumente sind nach dem 26. Mai 2024 entweder MDR-konform oder verfügen über einen Confirmation Letter. Die Mathys-Produkte sind somit alle gesetzeskonform und können weiterverwendet werden.
 

«Mathys steht im Vergleich zu anderen Medizinprodukte-Herstellern sehr gut da»


Wie gehen die aussereuropäischen Märkte mit diesem Novum um?

Auch in den aussereuropäischen Märkten sorgt die Fristenverlängerung für Verwirrung, denn rechtlich betrachtet ist der Zustand als gültiges „ungültiges“ Medizinprodukt noch nirgendwo vorgekommen. Dies betrifft beispielsweise den Markt in Japan, Brasilien und in Australien. Hier muss eine Regelung für Medizinprodukte mit einer solchen verlängerten Zulassung gefunden werden. Das ist eine Herausforderung, die wir in Zukunft meistern müssen. 


Was hören Sie von anderen Herstellern von Medizinprodukten?

Das ist ganz unterschiedlich. Derzeit verfügen etwa 8 % der Medizinprodukte über eine MDR-Konformität. Für manche Produkte ist es sehr schwer, die erforderlichen Studien nachzuweisen, wie bereits der Presse zu entnehmen war. Dies betrifft etwa Medizinprodukte für pädiatrische Operationen. Der Europäischen Kommission ist diese Problematik durchaus bewusst. 


«Mathys steht Kliniken und Anwendern gerne zur Verfügung, wenn Fragen aufkommen.»


Wie bewerten Sie eine erneute Aktualisierung der MDR? 

Mathys steht der MDR und weiteren Aktualisierungen grundsätzlich sehr aufgeschlossen gegenüber. Dass alle Medizinprodukte ihre Sicherheit und Leistungsfähigkeit nachweisen müssen, ist sehr sinnvoll. Wir haben das bereits in der Vergangenheit aus eigenem Interesse entsprechend gehandhabt und die Qualität unsere Produkte wurde genaustens überwacht.  Daher können wir auch für alle unsere Produkte verlässliche Daten vorlegen und haben nun keine Probleme mit der MDR-Konformität. Allerdings muss es auch Ausnahmen für die Anwendungen geben, die in Studien nicht abgebildet werden können. Ich möchte nochmals betonen, dass Mathys bei Fragen zu unseren Produkten stets für die Kunden zur Verfügung steht.
 

Herr Linge, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

 

 

Kontakt
Social

Haben Sie Fragen? Wir beraten Sie gerne!

Disclaimer

Unser Downloadcenter beinhaltet sämtliche Dokumente und Informationen, die auf der Website zur Verfügung gestellt werden. Die darin verwendeten Abbildungen (Stimmungsbilder) sollen keinen Zusammenhang zwischen der Verwendung des beschriebenen Medizinproduktes und seiner Leistung herstellen. Eine Suche mit Filter hilft, das Gewünschte schnell und akkurat zu finden.

Bitte beachten Sie, dass für Downloads die Nutzungsbedingungen akzeptiert werden müssen.